Exkurs: Laktat - Die Ursache für Muskelkater?

Sport und Bewegung haben in der heutigen Zeit einen hohen Stellenwert. Doch viele Menschen klagen nach den ersten Trainingseinheiten über Muskelkater, der manchmal auch richtig heftig ausfallen kann. Nach vorherrschender Meinung handelt es sich dabei um eine Übersäuerung der Muskulatur durch Milchsäure, sprich Laktat. Doch dies wurde mittlerweile mehrfach widerlegt. Was genau Laktat eigentlich ist und welche Rolle es in unserem Körper spielt, wird im Folgenden erklärt.


Laktat

Laktate sind die Salze der Milchsäure. Es gibt zwei sogenannte enantiomere Formen, die man in ihrer Form mit „Bild und Spiegelbild“ vergleichen kann: Bei einer Bestrahlung der Säure durch polarisiertes Licht unterscheiden sich die beiden Formen in ihrer Drehung: D(-) Milchsäure ist linksdrehend und L(+) Milchsäure rechtsdrehend. Im Körper kommt ausschließlich die rechtsdrehende L-Form vor. Manch einem ist die rechtsdrehende Milchsäure bekannt aus der Joghurt-Werbung.

Das Laktat entsteht in den Muskeln bei der anaeroben Glykolyse. Dabei handelt es sich um eine Energiegewinnung ohne Sauerstoff – diese läuft im Gegensatz zur aeroben Glykolyse (Energiegewinnung mit Sauerstoff) schneller ab und wird dem Körper insbesondere für kurzzeitige Maximalleistungen (vor allem bei Kraft- und Ausdauersport) zur Verfügung gestellt. Bei der anaeroben Glykolyse wird Zucker zunächst zu Pyruvat und dann weiter zu Laktat verstoffwechselt: Sobald der Körper belastet wird, braucht er mehr von unserem Energietreibstoff Adenosintriphosphat (ATP), der in den aktiven Muskeln durch den Glukoseabbau gewonnen wird. Dadurch steigt die Konzentration von Pyruvat an, bis der Organismus die anfallenden Enzyme nicht mehr verwerten kann und deshalb Pyruvat zu Laktat reduziert. Das Laktat häuft sich nun in den Muskeln an und muss zum Abbau durch das Blut in die Leber transportiert werden, da die Muskulatur das Laktat nicht verarbeiten kann. In der Leber wird es wieder zu Pyruvat umgewandelt und kann zur Energiegewinnung über die aerobe Glykolyse wiederverwendet werden.

Allerdings haben neuere Forschungen ergeben, dass das scheinbare harmlose Abfallprodukt krebsfördernd sein könnte. Laktat hilft nämlich den Tumorzellen, sich aggressiv im Körper auszubreiten. Es greift die Zellwände des umgebenden gesunden Gewebes an, sodass die wachsenden Tumorzellen invasiv ins Gewebe vordringen können. Laktat löst das Gerüst auf, das die Zellen im Gewebe umgibt, lässt die Krebszellen somit besser wuchern, auswandern und metastasieren und hält angreifende Immunzellen auf Abstand. Die gesunden Zellen werden so in den programmierten Zelltod getrieben. Laktat kann sich auch in Knochen einätzen und dort Metastasen bilden.


Und: Laktat unterstützt die Krebszellen selbst bei ihrer Vermehrung. Die Zellen können aus Laktat, dem Endprodukt der Vergärung von Glukose, mehr Energie ziehen, als aus den Endprodukten der Verbrennung von Glukose. Diese Eigenschaft wird als „Warburg-Effekt“ bezeichnet. Die Ursache dafür ist eine Störung in den Mitochondrien der Krebszellen. Das bedeutet, je mehr Laktat sich im krebsbefallenen Körper ansammelt, desto erhöhter ist der Stoffwechsel der Krebszellen und desto schneller breiten sie sich aus. Dieser Effekt wurde zum Beispiel bestätigt durch Tests mit dem Wirkstoff Dichloracetat (DCA), der eine übermäßige Produktion von Laktat verhindert. Bei einer Injektion des Stoffes konnte man eine ungehinderte Vermehrung von Krebszellen nicht mehr erkennen. Ihr Stoffwechsel wurde also verlangsamt durch das Zurückhalten von Laktat. Im Umkehrschluss ist also die Grundlage für die Entstehung von Laktat eine kohlenhydratreiche Ernährung mit wenig Bewegung. Deshalb wird gerade schwachen und im Bett liegenden Krebspatienten oft geraten, auf eine kohlenhydratarme Ernährung umzusteigen, um eine übermäßige Produktion von Laktat zu verhindern und das Wachstum der Krebszellen zu beschränken. Eine Ernährungsumstellung kann jedoch nur als therapiebegleitende Maßnahme, nicht als alleinige Therapie betrachtet werden.



Abschließend noch einige Worte zum Muskelkater: Neben dem Laktat entstehen in den Muskeln bei dem anaeroben Abbau von Glukose freie Protonen (positiv geladene Wasserstoff-Ionen). Diese Protonen sind in erster Linie für die Übersäuerung in den Muskeln verantwortlich und verhindern eine Aufnahme von Kalzium, welches zur Energiegewinnung von ATP notwendig ist. Durch das zunehmend saure Milieu entstehen die bekannten Schmerzen. Zudem wird bei längerer Belastung die Muskelkontraktion gestört und die Leistung eingeschränkt, was zu einem allgemeinen Tief im Training führt. Dem entgegen wirken kleine Pausen und ein schrittweise intensiviertes Training.